von Frater Karo Eye Nothing 409
Einer der Hauptgründe, weswegen die wissenschaftliche Realität von Magie von den meisten Menschen abgestritten wird, ist jener, dass manche Rituale, die gezielt versuchen ein Geschehnis oder einen Verlauf zu beeinflussen eintreffen und andere wieder nicht. Dadurch erscheint der magische Akt ein illusionärer Akt der Fantasie. Gleichzeitig jedoch ist die Entscheidungskraft des Kosmos einen Wunsch, Willen oder eine Bitte anzunehmen, der wichtigste Schutz und gerade dass was die königliche Kunst im verborgenen hält. Und darüber hinaus wahrscheinlich mit ein Grund, weswegen Religionen so gegen Magie wetterten, da es anmaßend wäre sich in den Verlauf des Schicksals einmischen zu wollen. Das Schicksal des Verlaufs von Existenz scheint so komplex und uns in seinen Gründen oft verborgen, dass es sich nicht von jedem durch jegliche Neigung lenken und bestimmen lässt. Und dennoch beeinflusst Bewusstsein, Wort und Tat seinen Verlauf – und ist jeder somit daran beteiligt Existenz aktiv mit zu gestalten. Wie also kann man abwägen, warum ein ritueller Wunsch in Erfüllung geht oder nicht? Man könnte es so bezeichnen, je nachdem ob er in Harmonie mit dem Gesamtwillen des Kosmos steht oder nicht. Und wie kann man es vermeiden sich ständig Dinge zu wünschen, die gar nicht passieren sollen und somit nur in die Irre führen und somit durch Mißerfolg den Glauben an der eigenen Magie nehmen? Ganz gar nicht. Da sich Erfolg und Mißerfolg, Glaube und Zweifel immer ausgleichen, um das Gleichgewicht zu realisieren – auch für das eigene Ego, da es sonst entweder zu übermütig oder zu verzweifelt wird. Auch ist es eine Illusion, man könnte das Ego während Lebzeiten auslöschen und gänzlich frei von ihm werden. Denn es ist und bleibt ein zur Existenz notwendiger Bestandteil. Es lässt sich zwar sowohl transzendieren als auch festigen, aber temporär von seiner Existenz ganz befreien nur in der Übergangsphase des Todes, die jener des Schlafes sehr ähnelt. Es ist zwar notwendig sich immer wieder zu irren und auch Fehler zu machen, um gerade aus diesen zu lernen und dennoch liegt es an einem jeden selbst wie weit er seine Magie veredelt und Holzwege zu meiden lernt. Daher ist die wichtigste Aufgabe von Magie die Arbeit am eigenen Selbst als Grundlage. Denn aller Erfolg, Reichtum, Glück, etc. bringen einem recht wenig, wenn man nicht sich selbst in Harmonie mit dem Kosmos zu bewegen lernt. Denn das größte Glück liegt immer noch im Frieden mit sich selbst, egal, ob reich oder arm, berühmt oder unbekannt. Das Glück liegt in der Harmonie mit dem eigenen Licht und Schatten – mit der eigenen Existenz und Existenz an sich; trotz des Bewusstseins des Gesamten mit allen Facetten und auch allen notwendigen Leiden, die Bestandteil des Sein und Nicht-Seins sind. Und so kämpft Sein Sein zu beeinflussen und gar mehr zu sein – und dennoch ist Sein gleichzeitig Nicht-Sein; nur ein Traum und sich wandelne Illusion des letztendlich Alleinen. Doch wozu dann überhaupt Magie praktizieren, wenn eh alles vom Alleinen ausgeht? Wieso leben, wieso reden, wieso tun, wieso verändern? Weil wir selbst das Alleine sind und jeder es sich selbst aktiv gestaltet. Vorherbestimmt und völlig offen zugleich. Doch Magie ist wesentlich mehr als den Verlauf von Geschehnissen zu beeinflussen. Es ist die aktive Auseinandersetzung mit dem Außen durch das eigene Bewusstsein im Inneren. Es ist Kunst, es ist Kultur, es ist Pflege und Arbeit. Es ist Spass, es ist Ekstase, es ist Arbeit an der Idee der Welt an sich, Arbeit an und mit Mysterien, es ist Dank und Ehrfurcht. Real und irreal im selben Moment. Dadurch stellt sie sich als Kunst dem Widerspruch von Realität, was Wahnsinn und materiellen Niedergang riskiert. Denn so wir nicht unsere Wurzeln schön in der materiellen Grundlage pflegen, kann uns das geistige schnell in ungeerdeten Höhenflügen den Bezug zum Boden verlieren lassen. Wohl mit ein Grund, warum traditionellere Schulen der Magie das langsame, strukturierte und vorsichtige Erlernen dieser Kunst empfehlen. Sich erst einmal durch die Mysterien der Elemente, Planeten, Chakren und Sternzeichen zu arbeiten, sowie Meditation, Visualisation und emotionale Selbstbeherrschung lange genug zu trainieren, bevor man zu gefährlicheren Operationen wie Evokation von Engeln und Dämonen übergeht. Sich mit dem eigenen Heiligen Schutzengel vereint oder gar versucht den Abyss zu überschreiten; bzw. Innere, Höchste Alchemie zu realisieren. Chaosmagie im speziellen wagte den mutigen Schritt aus den Paradigmen des Fischezeitalters von Gott und Teufel, Engel und Dämonen sowie vorgegebenden Göttern und Göttinnen auszubrechen; und jenseits von Dogma Magie als solches, losgelöst von jeglicher Prägung zu erforschen und weiter zu entwickelen. Ein notwendiger Schritt für den Übergang ins Wasssermanzeitalter und somit die heraufdämmernde Magie des neuen Aeons. Aber wie jede Form der Magie auch von ihren eigenen Schatten betroffen; notwendig um weitere Entwicklung zu ermöglichen. Chaosmagie bedient sich bestehender Pantheone, Mythologien und Paradigmen und kreiert ihre eigenen. Doch auf Grund des Fehlens von Aufbau und Struktur eines eigenen, festen Pantheons und Paradigmas, um Dogma zu vermeiden, mangelt es ihr an der Ergründung eines unsichtbaren Palastes, dessen Tiefen die Ausschmückung und Entwicklung seiner Weltanschauung durch eine eigene Mythologie wachsen ließe. Crowley selbst hat in diesem Punkt noch einen wesentlich massiveren Schatten im Konzept des Ordens O.T.O. hinterlassen. Der wiederum auf Grund vorgegebener Struktur und Dogma zwar seine Lehren konserviert, aber Weiterenwicklung vereitelt und im Anwachsen die Gefahr von Stolz, Machtmissbrauch und Entstellung durch Anpassung an zeitgemäße Normen und religiösen Ausbau nur umso mehr impliziert. So dass sich Parallelströmungen wie die Nu-Isis-Loge von Kenneth Grant oder auch Horus-Maat-Loge von Soror Nema bildeten, welche sich vom O.T.O. als solchem distanzierten, um Thelema kreativ weiter zu entwickelen und an dessen Mythologie und Pantheon zu arbeiten. Es ist die heutige Aufgabe der Chaosmagie als moderne magische Richtung, die Kluft zwischen Albernheit und kosmischer Tiefe zu überwinden, weder Crowley und traditionelle, magische Schulen zu verdammen, noch von ihrem Bruch mit deren Paradigma abzulassen. Es lässt sich überall forschen, es lässt sich aus allem lernen. Ebenso schamanischen Traditionen und Riten wie auch abendländischen Schulen wie jener des Judentums und der Alchemie. Denn letztendlich sind alle Erforschungen des einen Mysteriums Leben; dessen grösstes Mysterium der Tod und somit das Reich des Unsichtbaren ist; das Reich der Fantasie, Magie und Vorstellungen. Doch zurück zum Thema dieses Artikels, um dessen Aussage noch abschließend abzurunden. Was ist gut und was ist böse? Sind nicht beide Kräfte letztendlich eins? Wie lange hat die Menschheit nicht schon versucht, das Böse zu meiden und das Gute zu erzwingen; und somit nicht nur das Böse gemehrt? Wäre es nicht einmal an der Zeit unsere eigenen Schatten zu integrieren und Schmerz als gleichermaßen wichtig wie auch Freude zu begreifen? Wir können weder Fehlschlag noch Irrtum vermeiden, aber im Wandel von Erfolg und Mißerfolg, Glaube und Zweifel, Erkenntnis und Irrtum reifen, gestalten und erreichen. Das eigene Ego ist eine nie endene Schule. Und selbst wenn Magie nur Einbildung wäre, wäre sie ihre Praxis dennoch wert. Denn was hat die Geschichte der Menschheit jemals mehr inspiriert, ihre Kunst und Kultur mehr beeinflusst und die Vorstellungen von ihrer Welt geprägt, wenn nicht Mystik und Magie? Wenn wir keine magischen Wesen sind, was dann? Wenn unser Bewusstsein keine Auswirkungen auf die Welt da draußen hat, was dann? Und was könnte erfüllender sein als ein Haus aus Stein und Holz mit Seele zu bekleiden und verbinden und begehen? Und Erfolg und Mißerfolg bleiben ewige Zwillinge. Die Mißerfolge gar oft noch größere Lehrer. Kraft der mystischen Assoziation – Kraft des Erkennens von Zusammenhängen. Kraft der Freisetzung innerer Kräfte, Fähigkeiten und Energien. Kraft des gestaltenden Geistes. Und Kraft der gestaltenden Hand. Es ist nicht das Ausbleiben oder Eintreffen von Erfolgen in ritueller Magie, worauf es ankommt, sondern der Wandel und die Lehre in eben beiden – die den Weg eines jeden Magiers bekleiden.
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