von Frater Fuchs
Gnosis ist ein wichtiger Begriff, der in magischen Kreisen, in Büchern und auch auf diesem Blog immer wieder auftaucht. Daher ist es sinnvoll, der Gnosis einen eigenen, kurzen Artikel zu widmen.
Den Begriff Gnosis, so wie wir ihn verstehen, hat Peter Carroll in Liber Null und Psychonautik beschrieben als etwas, das erforderlich ist, um magisch wirken zu können. Es gibt für diesen Geisteszustand viele verschiedene Wörter, die aber alle das selbe meinen: Einen Bewusstseinszustand, in dem das aufhört, was Peter Carroll den „inneren Dialog“ nennt.
Gnosis bedeutet, um es mal mit meinen eigenen Worten zu sagen, in einen Zustand einzutreten, in dem die Wahrnehmung und das Denken nicht durch den psychischen Zensor gehemmt werden und man sich dementsprechend ganz darauf einlassen kann, Magie zu wirken.
Was genau ist Magie? Ja, ich weiß. Frag 100 Chaosmagier und Du bekommst mindestens 101 verschiedene Antworten. Aber trotzdem, ich muss kurz darauf zu sprechen kommen, um Gnosis besser erklären zu können:
Wenn ein Arzt Dir eine Pille aus Zucker gibt, Dir erklärt es sei ein Heilmittel und Du wirst davon gesund – was in diesem Placebo war es, das Dich geheilt hat? Der Zucker? Der Arzt, der Dir die Pille gegeben hat? Oder die Überzeugung, dass Du gesund wirst? Wenn wir diese Pille auf Magie übertragen, lautet die spannende Frage: Was kann diese Pille noch? Und meine Antwort darauf ist: Alles, was Du Dich traust, zu glauben. Alles, wovon Du überzeugt genug sein kannst. Und wie überzeugt Du davon sein kannst, dass ein bestimmter Effekt sich manifestiert, hängt immens vom Zensor ab. Weil er es ist, der Dir in einem ständigen „inneren Dialog“ zu erklären versucht, dass doch daran nur kleine Kinder glauben und dass es Magie eigentlich gar nicht gibt.
Je besser wir es schaffen, in einen Bewusstseinszustand zu schlüpfen, in dem dieser Zensor unsere Erwartung, unsere Überzeugung nicht stört, desto besser wird unsere Magie funktionieren. Und es ist gar nicht so einfach, diesen Zensor wirklich zum Schweigen zu bringen, auch wenn es nur für einen kurzen magischen Moment sein soll. Deshalb benutzen wir für viele magische Operationen Trance-Techniken, um das Wechseln in einen anderen Bewusstseinszustand leichter zu machen. Während der Trance geschieht der magische Akt, danach wird die Trance durch eine abschließende Bannung wieder beendet und der Zauber tut sein Werk. Und dieses Eintreten in die Trance kann man übersetzen als das Eintreten in den Zustand der Gnosis, obwohl Trance und Gnosis nicht genau dasselbe sind. Gnosis unterscheidet sich von Trance insofern, als dass Gnosis auch ohne Trance erreicht werden kann. Gnosis bedeutet, die Aufmerksamkeit auf das magische Ziel zu lenken und den Zweifel an der Magie so gut wie möglich auszuschalten. Das ist deutlich einfacher in Trance, aber es ist durchaus auch möglich, den gnostischen Zustand ohne Trance zu erreichen.
Peter Carroll spricht von grundsätzlich zwei Methoden, den Zustand der Gnosis zu erreichen, nämlich von einer erregenden und einer dämpfenden Methode. Das heißt, dass man entweder durch Überflutung von starken Reizen in einen Zustand starker Erregung gerät, in dem man trotzdem das magische Ziel nicht verliert und all die entstehende Kraft in diese Richtung schickt, oder eben dass man durch das Abstellen aller Reize in einen Zustand absoluter Stille gerät, in dem nur noch ein Fokus übrig bleibt, nämlich das magische Ziel. Hierfür gibt es unzählige verschiedene Wege, von Meditation über Tanz bis hin zu schmerzhafter oder sexueller Ekstase. Was davon am besten geeignet ist, lässt sich schwer sagen. Das kommt auf sehr viele unterschiedliche Faktoren an. Angefangen beim magischen Ziel selbst (nicht jede Form der Gnosis eignet sich beispielsweise für Heilungsrituale), bis hin zu persönlichen Vorlieben, bzw. Veranlagungen. Vielen geht es so, dass bestimmte Trance-Techniken bei ihnen nur schlecht bis gar nicht funktionieren, andere dafür aber umso besser. Es gilt mit der Zeit herauszufinden, welche Art der Trance bei einem am besten und am zuverlässigsten eignet, um in den gnostischen Zustand zu kommen und Magie zu wirken. Und dafür probiert man das am besten aus, sowas lernt man nicht beim Lesen von Blog-Artikeln.
Also los, auf geht’s, weg vom Bildschirm, ab in den Tempel!
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