New Age Zombie Apocalypse


von Julian Vayne, übersetzt von Caramba


Attacke der Zombies

Es war die Bonfire Nacht(*) und wir trafen uns in einer fantastischen esoterischen Kunstgalerie in der Nähe der Roten und Weißen Quellen in Glastonbury. Angesichts unserer Location lag es auf der Hand, dass wir ein Ritual durchführten, in dem der Glastonbury Tor(**) bestiegen werden musste. So wurde die Zombie-Apokalypse erschaffen. Und wieder bedienten wir uns der Technik, das zu verkörpern, was man verändern möchte, mit einer ritualisierten Transformation in Richtung dessen, was man erreichen möchte. Die Methode zielte darauf ab, sowohl auf der persönlichen als auch der kollektiven Ebene zu arbeiten. Das Ritual, das Sor. Res und ich erdacht hatten, hatte zum Ziel, kritisches Denken innerhalb der New Age Bewegung zu fördern. Und – wir sprechen hier als Magier, die sich in Glastonbury versammeln –dieser Zauber für kritisches Denken sollte sowohl auf uns selbst angewendet werden als auch auf das gewisse „etwas“, das ich als das lächerliche und mystische „woo-woo“ (Blödsinn) empfinde, das in den magischen Shops in der High Street von Glastonbury verkauft wird. Die Anweisungen für die Zeremonie waren einfach. Wir kleideten uns als Zombies und spazierten in das Herz des New Age – Glastonbury Tor. Wie viele von euch wissen, wird der Tor von vielen Menschen als das Herz-Chakra von Gaia betrachtet. In unserem krüppligen, verstümmelten Zombie-Outfit würden wir also den Tor besteigen, auf der Suche nach „BRAINS!“ (Verstand). Auf dem Gipfel angekommen würden wir ein einflussreiches zeitgenössisches New Age-Buch zerstören. Nach der erfolgreichen Tat würden wir auf magischem Weg unseren Verstand finden und unseren Rückweg antreten, in angeregten, sehr gelehrten und rigoros intellektuellen Gesprächen. Wir würden also den hirnlosen und stupiden Zombie in einen aktiven und intelligenten Menschen verwandeln. Der Text, den wir zerstören wollten, war ein Buch, das Sor. Res beherzt von vorne bis hinten gelesen hatte. Es war eines dieser Bücher, das eine weite Bandbreite von Themen enthält, von Schamanismus über psychedelischen Erfahrungen bis zu UFO-Entführungen und ähnlichem. Trotz vieler guter Aspekte in diesem Buch scheiterte es – ihrer Meinung nach – an der letzten Hürde. Anstatt die einzelnen dokumentierten Phänomene als mögliche typische Manifestationen zu erkennen, die einer gemeinsamen menschlichen Physiologie veränderter Bewusstseinszustände entspringen, arrangierte er diese als beweiskräftigen „Klebstoff“, der eine ansonsten substanzlose Theorie zusammenhalten sollte. Diese Theorie besagt, dass vor Millenien Außerirdische auf die Erde gekommen waren, um unsere DNA zu manipulieren. Sie ließen in unseren Zellen kodiert eine Methode zurück, mit deren Hilfe wir mit ihnen jenseits von Zeit und Raum in Kontakt treten können.

Die Hügel sind untot mit dem Sound der Zombies

Durch die Bonfire Nacht schlurft ein bunter Haufen Zombies. Sie rasen in Laternenmasten, sabbern und geifern, und stöhnen wieder und wieder „BRAINS!“. Angeführt werden wir durch einen Bruder, der eine Sicherheitswarnjacke mit der Aufschrift „WIZARD“ (Zauberer) trägt. Er führt die Prozession mit einer Kamera in der Hand an, ist unser Führer, Alibi („wir drehen ein Video für YouTube“) und Ritual-Archivist (Rekorder). Er umklammert ebenfalls eine Ausgabe jenes Buches, das zerstört werden soll. Dieses dient auch als Strange-Zombie-Attractor, der uns den Hügel hinauf führt. Wir steigen also auf, einige schneller als die anderen. Wir fallen und stolpern übereinander, klammern uns an Gliedmaßen der anderen. Die Natur der Sache (das Ritual in Zombie-Kleidung und Zombie-Invokation durchzuführen) bedeutet für manche von uns eine zusätzliche Herausforderung für den Aufstieg. Nach dem anfänglich steilen Aufstieg erreichen wir den kleinen sanft ansteigenden Pfad zum St. Michaels Turm, der den Gipfel des Tor krönt. Schafe weiden auf dem Gras, unsere „BRAINS!“-Schreie beindrucken sie kaum. Schließlich sind es Glastonbury-Schafe, und sie haben bestimmt schon einige seltsame Dinge erlebt. Am Gipfel angekommen, beginnen die Zombies, die Wände hochzuspringen und davon abzuprallen , bleiben stecken und fuchteln herum wie Roboter im Eingang des Turmes. Als immer mehr von uns oben ankommen, enthüllen die flackernden Fackeln einen Raum voll mit – wie es aussieht – schrecklich aussehenden, verletzten und schwer behinderten Gestalten. Glieder zucken, Münder sind weit aufgerissen, und Augen rollen leer und ausdruckslos nach oben. Das Buch wird herausgeholt. Mit dem Schrei ‘BRAINS! BRAINS! BRAINS!’ stürzen wir uns darüber, zerreißen es und zerknüllen die Seiten (die Reste werden gewissenhaft gesammelt zur verantwortungsvollen Entsorgung nach dem Ritual). Sor. Res ergreift eine der herausgerissenen Seiten und beginnt zu lesen. Es ist eine Betrachtung über die Anlayse der Ayahuasca-Erfahrung von einem bekannten Forschers auf diesem Gebiet. Sie liest und beginnt gleichzeitig dem zu widersprechen, was der Text sagt. Ich stimme ein und stelle fest, dass ich jenem Forscher schon begegnet bin und dass dieses Buch seine Ansichten verdrehe und völlig falsch darstelle. Rundherum haben sich sabbernde Idioten auf einmal in intelligente Wesen verwandelt, die messerscharfe Maschinen der Analyse und des Zweifels sind. Feuerwerk wird entzündet und der Tor erstrahlt in vielfarbigem Licht. Unsere Truppe steht wieder ganz normal beisammen, und unterhält sich freundlich mit der kleinen Gruppe Ortsansässiger, die am Hang des Tors sitzen. Die geistlosen Zombies sind gebannt.

(*) in der ‚Bonfire Night‘ am 5. November wird in Großbritannien mit Feuerwerk und der feierlichen Verbrennung einer Guy Fawkes-Puppe der missglückten Pulververschwörung aus dem Jahr 1605 gedacht

(**) Glastonbury Tor (keltisch: Twr Avallach; Tor bedeutet Berg, Erde) ist ein 158 m hoher, tropfenförmiger Hügel in Glastonbury (England). Tor ist ein Wort keltischen Ursprungs, das „konischer Hügel“ bedeutet.

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