Quantenflittchen


von Frater Pandagaz in Zusammenarbeit mit Tempel Wunderland




John Tenniel, „Alice and the knitting sheep“
aus „Through the Looking-Glass and What Alice Found There“,
Kapitel „Wool and Water“ (1)

Dieses Ritual basiert auf einer Geschichte aus „Alice zwischen den Welten“ (2) n diesem Buch werden unter Verwendung der Figuren aus den Alice-Büchern Lewis Carrolls die wissenschaftlichen Erkenntnisse vor allem der Quantenphysik in Form einer im Stil Carrolls geschriebenen Erzählung, in der Alice durch das Quantenland reist, dargestellt. Auf ihrer Reise trifft Alice u.a. auf das Quantenflittchen (3), das mit etlichen Freiern zugleich anbändelt, bevor es einen auswählt. Sie ist dazu in der Lage, weil sie quantisch ist und damit in verschiedenen Realitäten, die sich gleichzeitig als verschiedene Möglichkeiten darstellen (dazu unten mehr), zugleich lebt und sich diejenige Realität aussuchen kann, die ihr am besten paßt. Möglich ist dies, weil Quanten im unbeobachteten Zustand Wellen (oder Möglichkeiten) sind und im Moment der Beobachtung zu Teilchen werden. Hierauf baut dieses Ritual auf.

I. Der Zweck des Rituals

Großartig“, bestätigte das Mädchen, “auch wenn du, wie ich dir gesagt habe, immer schon quantisch warst. Dein Geist ist voller Möglichkeiten, und jetzt kannst du sie nutzen, um die Zukunft zu erkunden. Du kannst sie sogar dazu benutzen, die Zukunftgeschehen zu lassen(Quantenflittchen) (4)

Ziel der Arbeit ist, sein Quantenflittchen-Sein zu erkennen, zugleich mehrere Realitäten einer ausgewählten Situation zu erleben und sich dann durch eine gezielte Konzentration auf die gewünschte Variante eine herauszusuchen und zur „einzigen“ Realität werden zu lassen. Dem liegt zugrunde, daß man selbst ebenfalls – zumindest auch – quantisch ist und daher nicht erst „zum Quantenflittchen werden“ muß, sondern „nur“ das bereits vorhandene Potential ausschöpfen muß.

II. Die wissenschaftlichen Hintergründe

Der „Quanteneffekt der Beobachtung“, also das Prinzip, daß Quanten im unbeobachteten Zustand Wellen und im beobachteten Teilchen, wird beschrieben durch die Theorie des Welle-Teilchen-Dualismus, die besagt, daß Objekte aus der Quantenwelt sich in manchen Fällen nur als Wellen, in anderen als Teilchen beschreiben lassen. 1924 postulierte Louis de Broglie, daß auch massebehaftete Teilchen diesen Wellencharakter besitzen (5).

Der Quantenflittchen-Effekt beruht auf der Viele-Welten-Interpretation (6), eine Interpretation der Quantenmechanik, die auf Hugh Everett III (7) zurückgeht.

In der Viele-Welten-Interpretation wird der physikalische Zustand des gesamten Universums mit allen darin enthaltenen Objekten durch eine universale Wellenfunktion beschrieben, die sich gemäß der durch die Schrödingergleichung gegebenen Dynamik entwickelt. Während in der orthodoxen Interpretation die Wellenfunktion die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten verschiedener möglicher Messergebnisse beschreibt, von welchen dann bei Durchführung einer Messung nur eines realisiert wird, geht die Viele-Welten-Interpretation davon aus, dass alle physikalisch möglichen Ereignisse tatsächlich stattfinden. „Beobachter“ haben jedoch keine vollständige Sicht auf diese parallel stattfindenden Ereignisse. Vielmehr wird in der Viele-Welten-Interpretation angenommen, dass sich bei einer Messung an einem Quantensystem (bzw. allgemein bei jeder physikalischen Wechselwirkung) das Universum in viele parallel existierende Welten aufteilt, wobei in jeder dieser Welten jeweils nur eines der verschiedenen möglichen Ergebnisse realisiert ist. Welten, die sich in makroskopischen Größenordnungen voneinander unterscheiden, entwickeln sich aufgrund von Dekohärenzeffekten fast unabhängig voneinander, weshalb ein Beobachter im Normalfall nichts von der Existenz der anderen Welten bemerkt. Herrschende Meinung ist allerdings nicht die Viele-Welten-Interpretation, sondern die insbesondere durch Neils Bohr und Werner Heisenberg geprägte Kopenhagener Deutung. Sie geht – anders als die Viele-Welten-Interpretation – sehr verkürzt dargestellt davon aus, daß die Wellenfunktion lediglich eine Wahrscheinlichkeitsverteilung (also den Bereich der möglichen Ergebnisse) angibt und, daß die Beobachter lediglich ein Zufallsergebnis sehen, das zugleich das einzige wirklich eingetretene Ereignis darstellt (8). Das Ritual basiert auf der Viele-Welten-Interpretation.

III. Das Ritual

  • IAO
  • Willenssatz: „Es ist mein Wille, mein Quantenflittchen-Sein zu erkennen und zu nutzen“
  • Meditation über „Möglichkeiten“ vor einem Spiegel, auf dem die folgende Formel steht:

Diese Formel beschreibt für beliebige den relativen Zustand in Bezug auf das Gesamtsystem (9), wobei das genauere Verständnis der Formel für das Ritual ohne Belang ist; sie dient nur als Zugang in das Viele-Welten-System nach Everett.

Zur Unterstützung wird ab jetzt während des gesamten Rituals ein Rauschen eingespielt, z.B. „Space Probes Voyager/Saturn“ Sobald einem danach ist, visualisiert man, wie man durch den Spiegel und die Formel in die (einem selbst bereits innewohnende) Viele-Welten-Welt reist. Dies kann man z.B. tun, indem man die Formel mit dem Blick fixiert und dann visualisiert, wie man um die Formel herumgeht und sie dabei nicht aus den Augen läßt (sie also zunächst von vorn sieht, dann von der Seite und schließlich – aus der Quantenwelt heraus von hinten).

  • Trancetanz in den Vielen WeltenDie Welt springt ins Dasein, wenn sie beobachtet wird, und löst sich in etwas anderesauf, wenn sie nicht beobachtet wird. Die Bilder im Spiegel gehorchen der üblichen Logik, im Dunkeln herrscht die Quantenlogik“ (Daniel Dodgson) (10) Nunmehr geht im dunklen Tempel, in dem im Idealfall noch große Spiegel aufgestellt sind, ein Stroboskop-Licht an, das sehr langsam beginnt und dann immer schneller wird. Hierzu tanzt man den Trancetanz, in dem man visualisiert, wie man in den aufleuchtenden Phasen des Lichts ein Wesen von reiner Möglichkeit ist und in den „dunklen“ Phasen ein Teilchen. Diese Technik basiert ebenfalls auf „Alice zwischen den Welten“. In Kapitel 16 („Im Untergrund – Erster Teil“) (11) trifft Alice auf Daniel Dodgson D.D., der sein Gehirn so umprogrammiert hat, daß er quantenlogisch denkt und dadurch die Realität erfaßt hat. Leider kann er sein Wissen nicht weitergeben, weil das erfordern würde, daß auch die Gehirne derjenigen, an die er das Wissen weitergeben will, umprogrammiert werden, was diese aber nicht wollen.
  • Das QuantenflittchenPah!!!“ sagten die 32 identischen Alices, die das Schauspiel beobachteten. „Die Schachtel verwandelt uns beide in Quantenflittchen! Was ist das für ein Gefühl, Danny, wenn Sie sich so aufspalten?“ (Die 32 identischen Alices (12) ) Zu Beginn dieses Abschnitts geht man in die konkrete Situation, deren verschiedene Welten man kennenlernen möchte, hinein. Nun wird ebenfalls eine Technik aus „Alice zwischen den Welten“ angewandt (13), um in den Quantenflittchen-Zustand zu kommen. Während dieses gesamten Abschnitts des Rituals sollte wieder das schon bei der Meditation verwendete Hintergrundrauschen zum Einsatz kommen, das aufgrund der Wiederholung das Gehirn wieder in den Meditationszustand versetzt und dadurch das Thema „Möglichkeiten“ ins Gehirn zurückholt. Im Buch macht Alice über Daniel Dodgson Bekanntschaft mit Rau, einem Außerirdischen von den Plejaden, dessen wirklicher Name für uns unaussprechlich ist und sich wie einunverständliches Gekreisch anhört. Er hat unendlich wertvolle Erkenntnisse über die Wirklichkeit gefunden und sie in einem dicken Buch niedergelegt, das aber für uns nicht verständlich ist, weil es auf Plejadisch geschrieben ist. Er erzählt Alice und Daniel Dodgson eine Geschichte, in der beide von ihm das „Alloskop“ erhalten und mit ihm arbeiten. Beide tauchen in diese Geschichte ein und erleben sie am eigenen Leib. Daran schließt die folgende Technik an. Hierzu visualisiert (14) man, wie man das „Alloskop“ in der Hand hält, eine schwarze Plastikschachtel, die von außen erkennbar zwei Löcher hat, von denen eins mit einem „X“ und das andere mit einem „O“ markiert ist. Weiter steht auf der Schachten „Beide Löcher aufmerksam beobachten! Welches leuchtet auf? Sei alles, was du sein kannst“. Im Inneren der Schachtel sind eine schwache Lichtquelle, die nur ein Photon pro Sekunde aussendet, und ein halbversilberter Spiegel. Dieses Photon trifft nun auf den Spiegel und die Hälfte seiner Möglichkeitswelle wird zurückgeworfen, die andere geht durch den Spiegel hindurch. Die zurückgeworfene Welle kommt aus dem mit „X“ markierten Loch, die weitergeleitete Welle aus dem mit „O“ markierten. Nun auf die Schachtel schauen und sehen, wie das mit „X“ markierte Loch aufleuchtet und zugleich wahrnehmen, wie man selbst identisch rechts neben sich steht, ebenfalls ein Alloskop in der Hand hält und das mit „O“ markierte Loch aufleuchten sieht. Schon in der nächsten Sekunde spalten sich beide wieder auf und man ist 4x vorhanden. So geht es weiter und weiter, bis man unendlich oft mit Alloskop in verschiedenen Realitäten (man hat ja jeweils etwas anderes bzw. über die Spaltungen hinweg eine andere Abfolge von aufleuchtenden Löchern hinter sich!) vorhanden ist. Jetzt kann man zwischen den einzelnen Welten und Realitäten hin- und herspringen wie das Quantenflittchen. Dabei unbedingt darauf achten, daß man sich nicht zu stark konzentriert, sonst bricht das ganze ab und man ist wieder nur ein einer Realität und muß mit dem Alloskop neu beginnen. Hat man die Realität gefunden, von der aus man weiterleben möchte, kann man sich für sie entscheiden, indem man sich ganz auf sie konzentriert. Dadurch wird das Ritual beendet. Man kann aber auch an den Beginn dieses Abschnitts zurückgehen, sich eine andere Situation auswählen und über das Alloskop wieder in sein Quantenflittchen-Dasein gelangen, um so auch diese Situation in seinem Sinne zu beeinflussen.

Hinweis: Falls man wegen der Vielzahl an Parallelwelten, die sich von der einen zur jeweils nächsten letztlich nur durch Nuancen unterscheiden, Orientierungsschwierigkeiten hat, hilft es, nach einer Anordnung der Welten zu suchen. Bei mir war es z.B. bei jeder Beschäftigung mit diesem Ritual so, daß das eine Extrem der Situation am einen „Ende“ der Welten und das andere am anderen zu finden war und dazwischen die jeweiligen Abstufungen. Insoweit empfiehlt es sich durchaus, vorab zu überlegen, was man in der konkreten Situation erreichen möchte und dann während des Rituals in dem entsprechenden Bereich der abgestuft angeordneten Vielen Welten nach der entsprechenden Welt zu suchen (15).

  • Keine Bannung. Wer aber partout bannen will oder muß, kann dies mit einem Aufstampfen und dem Ausruf „Newton!“ (16) tun.

FUßNOTEN

1 In dieser Szene versucht Alice, sich die zum Verkauf angebotenen Gegenstände anzuschauen, scheitert aber daran, daß jedesmal, wenn sie ein Regal genau betrachtet, dieses plötzlich leer ist, während es sich wieder füllt, wenn sie ihm die Aufmerksamkeit entzieht. Sowohl Martin Gardner („Alles über Alice“, Hamburg 2002, S. 222 Rn. 10) als auch Jean Houston („Ein Nachwort“ in „Alice zwischen den Welten“ [s. Fn. 2], S. 347) weisen auf die Parallelen zum Quanteneffekt hin. Dies ist tatsächlich vor dem Hintergrund, daß die Grundlagen der Quantentheorie erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckt und erforscht wurden, „Through the Looking-Glass and What Alice Found There“ aber bereits 1871 erschienen ist, faszinierend. 2 Shanley, William u.a., Alice zwischen den Welten, München 2000. 3 Kapitel 5 „Das Quantenflittchen“, S. 60-68. 4 Alice zwischen den Welten, a.a.O. (Fn. 2), S. 67. 5 Diese Idee, die de Broglie erstmals 1923 in seiner Dissertation vorstellte, war seinerzeit so ungewöhnlich, daß das Prüfungsgremium der Universität sich externen Rat holte; erst nach Einsteins positivem Urteil wurde die Dissertation akzeptiert; Tegmark, Max/Wheeler, Archibald, 100 Jahre Quantentheorie in Spektrum der Wissenschaft, Themenhaft „Quanteninformation“, Heft 01/2012, S. 24, 27. S. auch diesen Link. 6 Tegmark, Max/Wheeler, Archibald, a.a.O. (Fn.5), S. 24, 27, 30 ff. und dieser Link. 7 Von 1954 bis 1955 verfasste Everett seine quantenphysikalische Dissertation, die er im Januar 1956 unter dem Titel The Theory of the Universal Wave Function einreichte. Nach einer ablehnenden Meinungsäußerung von Niels Bohr überarbeiteten Wheeler und Everett gemeinsam das erste Manuskript. Der Promotionsausschuss anerkannte im April 1957 eine gekürzte Fassung der ursprünglichen Dissertation – nunmehr unter dem neuen Titel „Relative State“ Formulation of Quantum Mechanics – , so dass Everett im Juni 1957 promoviert wurde; Link Everett. 8 Link 1; Link 2 und Tegmark/Wheeler, a.a.O., S. 24, 27 ff.. 9 Link. 10 Alice zwischen den Welten, a.a.O. (Fn.2), S. 198. 11 S. 183, 198. 12 Alice zwischen den Welten, a.a.O. (Fn. 2), S. 204. 13 A.a.O. (Fn. 2), S. 204. 14 Zur Erleichterung der Visualisierung kann man eine „Alloskop“-Attrappe bauen. Hierzu braucht man nur eine schwarze Schachtel mit zwei mit „X“ bzw. „O“ beschriebenen Löchern, in denen zwei Birnchen stecken, die im gleichen Rhythmus aufleuchten. Außerdem sollte der Text „Beide Löcher aufmerksam beobachten! Welches leuchtet auf? Sei alles, was du sein kannst“ auf der Schachtel stehen. Das ist natürlich kein Alloskop, aber es kann dazu beitragen, den Zensor zu täuschen und so die Visualisierung erleichtern. 15 Bitte daran denken, sich beim „Suchen“ nach der „richtigen“ Welt nicht zu sehr zu konzentrieren, sonst reduziert sich alles auf die gerade betrachtete und man muß wieder mit dem Alloskop neu anfangen. 16 Die Idee hinter diesem Ausruf ist, daß der Name Sir Isaac Newtons, der wesentliche Grundlagen der klassischen Mechanik entwickelt hat, zu einem gewissen Grad die Welt verkörpert, wie sie zu sein scheint, auch, wenn die Erkenntnisse Newtons nicht zwingend einen Widerspruch zu den modernen Erkenntnissen der Quantenmechanik darstellen, sondern eher einen Teilaspekt oder Sonderfall beschreiben. Insoweit paßt auch, daß Alice in „Alice zwischen den Welten“ in einer Stadt namens Newtonville (als Gegensatz zur Quantenwelt) lebt.

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